Stress bei Azubis – wie gehe ich damit um?
Die Ausbildung und damit der erste Schritt ins Berufsleben ist für die meisten Jugendlichen der mit Abstand umfassendste Eingriff in ihr bisheriges Leben. Der neue Arbeitsalltag verändert u.a. das soziale Umfeld und den persönlichen Tagesablauf. Es entstehen neue Anforderungen und es kommen neue Verpflichtungen hinzu. Wer als Azubi erfolgreich durchstarten will, muss Strategien entwickeln für den richtigen Umgang mit ungewohntem Stress. Wie dies funktionieren kann und wie man Azubis auf ihrem Weg unterstützt, lesen Sie im Gastbeitrag von Sascha Klein (Rock Your Company!).
Was ist Stress überhaupt?
Stress bzw. gestresst sein bedeutet unter Spannung zu stehen. Dies kann sich sowohl positiv als auch negativ auswirken. Der Körper schüttet die Stresshormone Adrenalin und Cortisol aus. „Unwichtige“ Körperfunktionen werden heruntergefahren und der Körper erhält maximale Energie für Flucht oder Angriff.
Die Welt ist voller Reize, die uns unter Spannung setzen. Dies können Reize von außen sein, aber auch eigene Gedanken und Gefühle können Stress auslösen. In jedem Fall entsteht Stress im Kopf, wenn etwas unbedingt (und am Besten ganz schnell) passieren muss oder auch nicht passieren darf, z. B.: „Ich darf mich auf keinen Fall blamieren, sonst werde ich abgelehnt!“ Steht beispielsweise eine Präsentation beim Chef bevor, steigt Panik in einem auf. Wir alle kennen das Gefühl.
Der richtige Umgang mit Stress erfordert die Fähigkeit, mit dem Gefühl der Anspannung so umzugehen, dass die Gesundheit, Leistungsfähigkeit und damit die Lebensqualität dauerhaft erhalten bleiben.
Was stresst Azubis?
Laut DGB Ausbildungsreport 2016 (13.603 befragte Azubis) stellen neben langen Fahrtzeiten insbesondere Leistungs- und Zeitdruck in der Ausbildung die zentralen Belastungsfaktoren dar. Jeweils knapp ein Fünftel (19,1 Prozent bzw. 19,3 Prozent) der Befragten gaben an, diese Bedingungen in einem hohem bzw. sogar sehr hohem Maße als belastend zu empfinden.
Vergleichsweise häufig stellen auch schlechte Pausensituationen, z. B. durch Unterbrechungen oder Verkürzungen, einen Belastungsfaktor für die Azubis dar (15,3 Prozent der Befragten empfinden die Situation in hohem Maße belastend). Schwierige Arbeitszeiten, wie z.B. im Schichtdienst (14,6 Prozent), und die ständige Erreichbarkeit (14,2 Prozent) werden als weitere Belastungsfaktoren genannt. Mehr als jeden zehnten Auszubildenden (12,1 Prozent) belasten zudem Probleme mit Kollegen und/oder Vorgesetzten.
Versucht man hinter die genannten Belastungsfaktoren zu blicken, tun sich mehrere Cluster auf. Zum einen ist es der Umgang mit neuen Leistungsanforderungen, zum anderen ein scheinbar fehlender Ausgleich. Die Auseinandersetzung mit dem direkten sozialen Umfeld, mit Kollegen, Vorgesetzten und dem Team, bilden ein weiteres Problemfeld.
Wie also mit Stress umgehen, in Bezug auf die genannten Problemfelder bzw. Herausforderungen?
Wie können Azubis richtig mit Stress umgehen? Und wie kann man sie dabei unterstützen?
Wir zeigen drei Vorgehensweisen oder Strategien auf, die Stress vorbeugen oder den Umgang damit erleichtern können. Die Strategien sind nicht getrennt voneinander zu betrachten, sondern bauen vielmehr aufeinander auf bzw. greifen ineinander.
1. Achtsamkeit
Sich in Achtsamkeit üben oder auch zu meditieren, klingt zunächst vielleicht nach etwas Hokus Pokus oder einem Klosteraufenthalt. Es stellt jedoch eine wissenschaftlich nachgewiesene Methode im Umgang mit Stress dar (siehe auch Spiegel-Artikel). Stress lässt sich mindern, indem man nicht-wertende Achtsamkeit übt. Nicht-wertende Achtsamkeit bedeutet, dass man die Situation, die einen stresst, aus der Distanz beobachtet und urteilsfrei wahrnimmt.
Diese Methode erfordert etwas Übung und fühlt sich am Anfang ungewohnt an. Fünf Minuten Training am Tag reichen jedoch schon aus, um sehr schnell Veränderungen bei sich selbst wahrzunehmen.
Doch wie funktioniert das genau? Man setzt sich bequem an einen möglichst ungestörten Ort, beobachtet seinen Atem und scannt gleichzeitig seinen Körper gedanklich ab. Ziel ist es wahrzunehmen, was im Gefühls- und im Gedankenraum passiert – ohne dies direkt zu analysieren, ohne zu interpretieren, ohne einzugreifen – ein einfaches Beobachten seines Selbst. Das lässt die Alarme im Gehirn ins Leere laufen. Der innere Zustand der Anspannung löst sich auf. Gelassenheit macht sich breit.
Führt man die Methode regelmäßig durch, entwickelt sich schnell eine positive Routine im Umgang mit Stress. Und dabei sind wir schon bei der nächsten Strategie.
2. Neue Gewohnheiten
Stress entsteht häufig aufgrund von Gewohnheiten. Setze ich mich z. B. nicht mit den Inhalten der einzelnen Ausbildungsphasen auseinander und halte meinen Kalender nicht aktuell, führt dies dazu, dass ich keinen Überblick darüber habe, welche wichtigen Termine in den nächsten Tagen anstehen. Ich werde überrascht und bin deswegen nicht vorbereitet. Innerlicher Stress entsteht. Statt aktiv zu sein, reagiere ich nur und habe das Gefühl, nicht mehr hinterher zu kommen. Stress entsteht also häufig aufgrund von Automatismen, die in eine negative Spirale führen.
In dem Fall hilft es, sich herauszunehmen aus dem gewohnten (Arbeits-)Umfeld und das, was dort „passiert“, mit etwas Abstand zu betrachten. Die Distanz schafft die Möglichkeit, den Angst- oder Stresszustand zu verlassen und nüchtern über das eigene Verhalten zu reflektieren.
Das ist einfacher gesagt als getan. Hier können Ausbilder ansetzen und den Azubi unterstützen. Hierfür ist es wichtig, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und wahrzunehmen, wo genau der Schuh meines Azubis drückt. Ein regelmäßiger Dialog ist die Grundlage, Themen sollten offen und sachlich angesprochen werden.
Ein solcher Austausch setzt ein gewisses Vertrauen voraus. Ist es schwierig für den Ausbilder, eine solche Verbindung aufzubauen, kann es bereits ein toller Impuls sein, dem Azubi aufzuzeigen, dass es anderen Menschen in seinem Umfeld auch so geht und er sich mit diesem Thema an eine Person wenden darf, bei der er sich mit diesem Thema wohl fühlt. Letztlich ist er mit dem Thema Stress nicht alleine und diese Erkenntnis ist eine der wichtigsten.
Schafft man es, im Austausch mit dem Ausbilder oder einer anderen Vertrauensperson, sich objektiv mit dem Thema auseinanderzusetzen, dann können neue Vorgehensweisen und veränderte Gewohnheiten entstehen, die den Stress eindämmen oder erst gar nicht mehr entstehen lassen. Mehr zum Thema Gewohnheiten finden Sie hier: http://karrierebibel.de/gewohnheiten-aendern/
3. Struktur und Prioritäten
Es kann nicht genug betont werden, wie wichtig Ordnung ist: Sie sorgt dafür, dass die Zeit nicht mit hektischem Suchen verplempert werden muss. Ordnung schafft Struktur und gibt somit Orientierung: Wer genau weiß, wo alles in seiner Werkzeugkiste oder auf seinem Schreibtisch zu finden ist, hat einen Punkt weniger, der ihn beschäftigt. Gleichzeitig entsteht diese Ordnung auch im Kopf und mindert potenzielle Stressfaktoren. Fünf Tipps für Ordnung am Arbeitsplatz finden Sie hier: http://dein-bestes-leben.de/ordnung-am-arbeitsplatz-5-tipps/
Weiterhin ist es sehr wichtig, Prioritäten zu setzen und zu planen. Zunächst einmal wirkt alles irgendwie wichtig. Wenn dann auch noch unterschiedliche Ansprechpartner im Betrieb mit verschiedenen Aufgaben auf einen zukommen, wird es schnell unübersichtlich. Um die Aufgaben an sich kommt man natürlich nicht herum, man muss es aber schaffen, Abstufungen zwischen “sehr-wichtig” und “normal-wichtig” zu machen. Diese Priorisierung ist ein Lernprozess. Auch hier hilft es, Themen offen anzusprechen und im Gespräch mit den Kollegen und Vorgesetzten Klarheit darüber zu schaffen, was bis wann und mit welcher Wichtigkeit erledigt sein muss.
Weil der Mensch ein Gewohnheitstier ist, gehören Überraschungen zu den Dingen, mit denen er schlecht zurechtkommt. Über eine entsprechende Vorausplanung und strukturierte Arbeitsabläufe schafft man Sicherheit. Ausbildungspläne oder eigene To-Do-Listen geben Orientierung. Eigene Unsicherheiten bzw. Lücken füllt man durch Nachfragen. Davor sollte man keine Angst haben.
In allen Fällen gilt: Stress ist ein ganz normaler Zustand, den jeder schon einmal erlebt hat und immer wieder erleben wird. Der Umgang mit Stress ist erlernbar. Die ehrliche Auseinandersetzung mit sich und mit seinem persönlichen Umfeld hilft dabei, besser mit den Herausforderungen und Problemen im beruflichen Umfeld umzugehen.
Sascha Klein, der Autor des Gastbeitrags, ist Programmdirektor von ROCK YOUR COMPANY! – ein Social Startup mit Sitz in München. Als Experte in der Arbeit mit jungen Menschen bietet ROCK YOUR COMPANY! eins-zu-eins Inhouse-Mentoring für junge Mitarbeiter an. Mit den Programmen werden die Auszubildende und Berufseinsteiger in ihren personalen und sozialen Kompetenzen gestärkt. ROCK YOUR COMPANY! begleitet die Mentoring-Paare durch Trainings und Supervisionen während des gesamten Mentoring-Prozesses.
Quellen:
Jacob Drachenberg: http://www.drachenberg.de
DGB Ausbildungsreport 2016: http://www.dgb.de/presse/++co++2d7d8286-6f95-11e6-8e3e-525400e5a74a