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Die Wahl für Schulbank oder Ausbildung beeinflusst unsere Persönlichkeit

Schulbank oder Ausbildung
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Das Berufsleben macht gewissenhafter, schmälert aber das Interesse an anderen Dingen, zeigt eine Studie der Universität Tübingen.

Gewissenhaft, aber weniger unternehmerisch?

Ob Jugendliche nach dem Besuch der zehnten Klasse weiterhin die Schulbank drücken oder sich für eine Ausbildung und damit den Eintritt in das Berufsleben entscheiden, wirkt sich auf ihre Persönlichkeit aus. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung an der Universität Tübingen haben in einer Studie herausgefunden, dass Jugendliche, die sich für das Arbeitsleben entschieden hatten, zwar gewissenhafter wurden, ihr Interesse an forschenden, unternehmerischen und sozialen Tätigkeiten jedoch abnahm, verglichen mit Gleichaltrigen, die bis zum Abitur die Schule besuchten. Die Ergebnisse wurden nun in der Zeitschrift Psychological Science veröffentlicht.

Beruf oder Schulbank?

Die Entscheidung, welchen Weg wir wählen, ist von unserer Persönlichkeit abhängig, das ist seit langem bekannt. Aber auch der von uns gewählte Weg beeinflusst, wie sich unser Denken, Fühlen und Verhalten, also unsere „Persönlichkeit“, verändert. Dies ist das Ergebnis der komplexen Datenanalysen. Dabei konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Hilfe von statistischen Verfahren in den Ausgangsvoraussetzungen vergleichbare Gruppen herstellen. „Damit konnten wir nun zeigen, dass sich Kernaspekte unserer Persönlichkeit verändern, je nachdem, welchen Weg wir einschlagen“, erklärt Ulrich Trautwein, einer der Autoren der Studie. „Die Wahl zwischen Beruf und Schulbank beeinflusst unser späteres Denken, Fühlen und Handeln.“

Langzeitstudie bei Schülern von Realschule und Gymnasium

Grundlage war eine Langzeitstudie, bei der Jugendliche zunächst zum Zeitpunkt der Entscheidung für eine weiterführende Schule oder berufliche Ausbildung und dann sechs Jahre später befragt wurden. Knapp 2.100 Schülerinnen und Schüler aus 46 Realschulen und Gymnasien nahmen zum ersten Zeitpunkt an der Umfrage teil, bei der zweiten Befragung nach sechs Jahren waren es noch 508 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. 224 von ihnen entschieden sich dafür, die Schule bis zum Abitur zu besuchen, 284 für eine berufliche Ausbildung.

Eltern prägen den eigenen Werdegang

Es zeigte sich zum einen, dass die Entscheidung für Schule oder Beruf abhängig war von der Schulleistung, dem schulischen Selbstkonzept und dem familiären Hintergrund. Hatten die Eltern selbst einen niedrigeren Bildungsabschluss, waren die Schulleistungen schlechter und war das Vertrauen in die eigenen schulischen Fähigkeiten geringer, wurde eher der berufliche Weg eingeschlagen.

Ausbildung fördert die Sekundärtugenden

Zum anderen zeigte sich, dass die beiden verschiedenen Lebenswege einen substanziellen Einfluss auf die Persönlichkeit hatten. Die Jugendlichen, die sich für den Eintritt in das Berufsleben entschieden hatten, wurden gewissenhafter: Die sogenannten Sekundärtugenden wie Fleiß und Disziplin wurden ausgeprägter als bei denjenigen, die weiterhin zur Schule gingen. Der Grund dafür könnte sein, dass Auszubildende eine Umwelt erleben, in denen es klar definierte Anforderungen und strengere Verhaltensregeln als in der Schule gibt und die Zuverlässigkeit einzelner Personen für das gesamte Team wichtig ist. Hinsichtlich anderer Persönlichkeitsmerkmale wie emotionale Stabilität, Verträglichkeit oder Offenheit konnten keine Unterschiede festgestellt werden.

Weniger Interesse an forschenden und sozialen Tätigkeiten

Dafür interessierten sich die Jugendlichen, die sich für eine Ausbildung entschieden hatten, nach sechs Jahren weniger für forschende Tätigkeiten, zum Beispiel in einem Labor zu arbeiten oder Sachverhalte zu beobachten und zu analysieren. Auch zeigten sie weniger Interesse an sozialen Tätigkeiten, wie sich um andere Menschen zu kümmern oder sie zu unterrichten und sie waren weniger an unternehmerischen Tätigkeiten interessiert, die man Geschäftsführern oder Managern zuschreibt, wie beispielsweise ein Team zu führen oder mit anderen zu verhandeln. Diese Entwicklung dürfte in vielen Fällen nicht im Interesse der jeweiligen Arbeitgeber liegen.

Lernumgebung prägt die Entwicklung

„Dass die Gewissenhaftigkeit steigt und sich die Interessen an bestimmten Tätigkeiten verändern, könnte daran liegen, dass Jugendliche und junge Erwachsene, die plötzlich im Berufsleben stehen, in neue Rollen hineinwachsen müssen, für die bestimmte Einstellungen und Verhaltensweisen erforderlich sind und auch belohnt werden“, erklärt Ulrich Trautwein. „Die Befunde zeigen erneut die Bedeutung der Lernumgebung auf die Entwicklung von Kindern und jungen Erwachsenen auf – auch jenseits der erworbenen Fähigkeiten.“ Und: „Wissenschaft und Praxis sind deshalb gefordert, ein noch besseres Verständnis von der Qualität und den Effekten von Schule und Ausbildung zu bekommen.“

Quelle: Pressemitteilung der Universität Tübingen vom 23.11.2018.

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