Ausbildung lohnt für viele Flüchtlinge nicht
Deutschland hat eine Fachkräftelücke und viele Flüchtlinge – es könnte also einfach sein, beides zusammenzubringen. Es gibt allerdings einige Haken, die eine erfolgreiche Passung verhindern.
“Passgenaue Besetzung” funktioniert nicht immer
Zum Start des diesjährigen Ausbildungsjahres gab es bei der Berliner IHK noch 5.500 unbesetzte Ausbildungsplätze, 577 freie Stellen listet das Berliner Handwerk zusätzlich. Da nicht jeder Betrieb eine tatsächliche Vakanz meldet, dürfte die reelle Zahl höher liegen. Theoretisch konnte noch bis Oktober eine Ausbildung angefangen werden. Doch auch Programme wie die “Passgenaue Besetzung”, die versuchen, durch gezielte Beratung die Lücken z. B. auch mit Geflüchteten zu schließen, scheitern an folgenden Tatsachen:
Problem: Sprachkenntnisse in der Fachsprache
Das Prinzip der dualen Ausbildung ist in vielen Herkunftsländern nicht bekannt. Männer, die in Somalia oder im Iran bereits mit einer Autowerkstätte selbstständig waren, benötigen hier eine Mechatronik-Ausbildung für einen Betrieb. Diese scheitert aber selbst nach vier Jahren Aufenthalt an fehlenden Sprachkenntnissen, vor allem in der Fachsprache.
Neue Schrift, Schreibweise, Zahlen
Auch Zuwanderer, die mit 15 bis 17 Jahren aus arabischen Ländern nach Deutschland kommen, müssen zunächst mit einer völlig anderen Schrift, Schreibweise und Zahlen zurecht kommen. Verständigung funktioniert hier nur auf einfachem Niveau, zuhause bei den Eltern wird nur in der Heimatsprache kommuniziert. Besser funktioniert es da schon bei den unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten – in Berliner Pflegefamilien erlernen sie Deutsch erheblich schneller.
Rollenbild verhindert Ausbildungen
Auch erscheint die Vergütung einer Ausbildung, im Vergleich zu den Leistungen des Jobcenters, nicht attraktiv. Viele wählen deshalb lieber einen Helferjob, wo sie mit Mindestlohn finanziell besser verdienen. Das sind immerhin ein Drittel der Geflüchteten in Berlin. Auch das traditionelle Rollenbild steht vielen im Weg: Frauen aus arabischen Herkunftsländern streben eine Berufstätigkeit nicht an, da sie sich gewohnheitsmäßig eher um Kinder und Haushalt kümmern. Syrische Männer haben dagegen oft Probleme, einen Pflegeberuf zu erlernen.
3+2 Regel bringt Bleibeperspektiven
Andere Geflüchtete wollen um jeden Preis eine Ausbildung machen, insbesondere wenn sie aus Afrika oder Afghanistan kommen. Die wenig sichere Bleibeperspektive kann mit der 3+2 Regel die Chance auf einen Aufenthalt in Deutschland verbessern. Dieses Jahr bewarben sich 20.446 Jugendliche unter 25 Jahren für eine Ausbildungsstelle, 2.455 davon waren Geflüchtete.
Quelle: tagesspiegel.de vom 02.09.19.