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Schrauben an der Zukunft

Modellprojekt zur Integration geflüchteter Menschen in den Arbeitsmarkt.

Ausbildung Flüchtlinge
Achit Tölle, Ausbildungsleiter und Michael Teclom Asmelash, Praktikant.

14 junge Männer aus Syrien, Eritrea und dem Irak qualifizieren sich in den Werkstätten der Autohaus Peter Gruppe für einen Ausbildungsplatz im Kfz-Handwerk. Ein entschlossener Unternehmer, engagierte Ausbilder und Kollegen sowie die Bundesagentur für Arbeit stehen hinter dem Modellprojekt. Unsere Autorin Anja Stamm war vor Ort.

Achit Tölle, Ausbildungsleiter: „Für uns war das Neuland.”

„Wir sind es einfach angegangen, nach dem Motto: ,Wir machen was.‘ Wir behandeln die 14 jungen Männer in der Einstiegsqualifizierung wie Azubis im ersten Ausbildungsjahr. In den ersten Tagen machen wir sie mit Mitarbeitern und Vorgesetzten bekannt, stellen ihnen das Haus und die Arbeitsbereiche vor, zeigen Werkstatt, Lager, Service-Anmeldung und Verkaufsräume. Sie werden voll integriert und machen mit Kollegen Essenspausen. So lässt sich ein Wir-Gefühl aufbauen. Wir versuchen, Ängste zu nehmen und Vertrauen auf beiden Seiten aufzubauen. Wichtig ist der Abbau von Vorurteilen durch den persönlichen Kontakt.

Die größte Barriere ist anfangs die Sprache: Die Männer sind unterschiedlich lange in Deutschland und sprechen nicht gleich gut Deutsch. Deshalb erhalten sie ergänzend zur praktischen Arbeit täglich Sprachunterricht. In der ersten Sprachstufe lernen sie die Umgangssprache, danach Fachbegriffe aus dem Berufsleben. Im Betrieb vermitteln wir ihnen die Anforderungen an unsere Mitarbeiter und Normen wie Pünktlichkeit, Disziplin, Ordnung und Fleiß. Wir verlangen zudem – genau wie bei unseren deutschen Arbeitnehmern – Ausdauer und einen festen Willen. Die wichtigste Regel für den Alltag im Betrieb ist, dass man einander ohne Vorbehalte oder Vorurteile akzeptiert. Dadurch wurde beispielsweise aus ,dem Praktikant‘ oder ,dem Eritreer‘ ganz schnell ,der Michael‘ – alle sprechen die neuen Kollegen mit ihren Namen an. Unsere ersten Erfahrungen sind durchweg positiv. Unsere Praktikanten sind wissbegierig. Sie zeigen, dass sie unbedingt wollen. Sie akzeptieren die Arbeitsanforderungen und die Regeln im Umgang miteinander.

Ich würde allen Ausbildern raten, positiv an die Herausforderung heranzugehen, regelmäßig mit den neuen Mitarbeitern auch über private Sorgen zu reden und aus Erfahrungen sofort Konsequenzen zu ziehen – egal ob positiver oder negativer Art. Berührungsängste lassen sich abbauen, indem man die Flüchtlinge einfach anfangen und machen lässt. Wir gehen genauso mit ihnen um wie mit deutschen Arbeitnehmern.“

Michael Teclom Asmelash (21): „Wir sind Freunde geworden.”

Der junge Mann kommt aus Eritrea, wo er schon als 15-Jähriger an der Waffe ausgebildet wurde. Dort leben noch seine Eltern und seine jüngere Schwester. Seit rund zwei Jahren ist er in Deutschland und spricht schon gut Deutsch. „Ich fühle mich in Deutschland und Nordhausen sehr wohl und möchte mir hier eine Zukunft aufbauen. Ich möchte nicht wieder zurück in die Heimat. Von dieser Arbeit erwarte ich mir sehr viel. Ich interessiere mich für Autos und möchte Kfz-Mechatroniker werden. Dafür ist das Praktikum sehr wichtig.

Ich wurde sehr gut hier aufgenommen. Inzwischen habe ich eine eigene Wohnung. Im Autohaus Peter fühle ich mich gut. Meister Alberto und alle anderen sind sehr gut zu mir. Ich kann hier lernen und dann eine Ausbildung machen. Mit den Kollegen verstehe ich mich gut. Wir sind Freunde geworden. Alle helfen mir und sind nett. Ich habe ihnen meine Geschichte erzählt. Viele wussten nichts über Eritrea und den Diktator. Jetzt verstehen sie mich und warum ich Eritrea verlassen habe.“

Helmut Peter, Inhaber des Autohauses: „Ich sehe meine unternehmerische Verantwortung auch darin, den Menschen bei der Integration zu helfen.”

Als Mann aus Ostdeutschland erinnere ich mich gut, wie es vor 25 Jahren hier war. Ich hatte bei der Wende nichts außer einem festen Willen. Ich wusste damals nicht, wie Marktwirtschaft funktioniert. Heute führe ich 700 Mitarbeiter und verkaufe 9.000 Autos im Jahr. Ich kümmere mich um die Belange meiner Mitarbeiter, so oft es mir möglich ist, selbst. Ich versuche auch, die Flüchtlinge bei ihren persönlichen Angelegenheiten zu unterstützen. Ich mache zum Beispiel den Ämtern Feuer, wenn es mit den Papieren nicht vorangeht. Und ich höre mir ihre Sorgen an. Von einigen weiß ich, dass sie Geld an ihre Familien schicken und ihre Angehörigen zu sich holen wollen.

Man muss sich in die Leute und ihre Mentalität hineinversetzen. Einige haben in den ersten Tagen Gebetspausen auf kleinen Gebetsteppichen gemacht, weil ihre Religion es verlangt, dass sie mehrmals am Tag beten. Ich hatte zunächst befürchtet, die anderen würden sie deshalb hänseln. Aber nichts dergleichen ist geschehen und mittlerweile beten sie vor oder nach der Arbeit. Man muss positiv an die Sache herangehen und einfach machen! Die Öffentlichkeit stand dem Projekt anfangs skeptisch gegenüber. Aber ich habe mich da konsequent durchgesetzt. Mittlerweile ist es in meinen Autohäusern gut angelaufen und die Männer sind in die Unternehmensgruppe integriert. Wenn im August die Lehre beginnt, möchte ich mindestens zehn von ihnen in eine Ausbildung zu Kfz-Mechatronikern übernehmen.“

Unternehmens-Info:

Die Autohaus Peter Gruppe beschäftigt in 20 Autohäusern in Thüringen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt rund 700 Mitarbeiter und über 100 Auszubildende in den Berufen Kfz-Mechatroniker, Lackierer, Kaufleute für Büromanagement und Automobilkaufmann.

Der Beitrag erschien im Magazin wirAusbilder, Heft 3 2016, S. 6-7.

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