Azubimangel in Berlin – das fordert die IHK
Mehr als jedes dritte Berliner Unternehmen konnte 2016 seine Ausbildungsstellen nicht besetzen. Der dortige IHK-Hauptgeschäftsführer, Jan Eder, spricht von einer “Zeitenwende”: Die Betriebe dürfen nicht mehr wählerisch sein, sondern müssten “jeden nehmen, der kommt – wenn jemand kommt”. Doch schon daran scheitert es oft.
Praktikum führt nicht immer zum Erfolg
So bewarben sich z. B. beim Softwareunternehmen msu Berlin 50 Schüler für ein Probepraktikum. Übrig blieb am Ende ein Praktikant, der sich später als nicht geeignet erwies. So gab es zum letzten Ausbildungstart im September 2016 keinen neuen Azubi. So geht es vielen Betrieben in der Hauptstadt, denn im vergangenen Jahr wurden nur 8.430 Ausbildungsverträge abgeschlossen (2012 waren es noch 9.409). In der gleichen Zeit stieg aber die Zahl der offenen Azubistellen von 12.171 auf 14.804.
Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze steigt weiter
Die Gründe sind bekannt: die Zahl der jungen Menschen hat sich in den letzten zehn Jahren um 120.000 pro Schülerjahrgang verringert. Davon streben die meisten nach dem Abschluss ein Studium an – in 2015 waren das schon 40 Prozente mehr als in 2006. Das bedeutet sieben Prozent weniger Bewerbungen auf eine offene Lehrstelle. Allein in Berlin gab es im letzten Jahr 38,4 Prozent zusätzliche unbesetzte Ausbildungsplätze.
Unternehmen müssen sich anpassen
Deshalb wirbt Jan Eder für einen Bewusstseinswandel bei den Ausbildungsunternehmen: man müssen jeden nehmen, der kommt – wenn denn jemand kommt! Denn gerade Berufe, die z. B. einen frühen Arbeitsbeginn und körperliche Arbeit beinhalten, sind kaum noch gefragt bei den Schulabgängern. Auch das Azubigehalt müsse sich anpassen. Aus seiner Sicht kommt das Hotel- und Gaststättengewerbe um eine Erhöhung der Bezüge sowie eine Reduzierung der Überstunden nicht mehr herum.
Gute Ansätze sind da, aber…
Von den Schulen fordert der IHK-Hauptgeschäftsführer mehr Vorbereitung und Information hinsichtlich der Ausbildungsberufe. Auch die große Start-up-Szene in Berlin müsse sich wandeln und nicht nur Bachelor-Absolventen als Praktikanten einstellen. Die Ausbildungsplatzabgabe hält Eder für einen Fehlschlag, das habe nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun. Ein erster guter Ansatz sind die Jugendberufsagenturen, hier fehlt es aber noch an finanzieller Ausstattung und System. So könne man in Berlin noch keine Aussagen treffen, wie viele Schulabgänger nicht mit unterstützenden Angeboten erreicht werden – im Gegensatz zu Hamburg, wo man diese Zahlen kennt. Weitere Maßnahmen im Paket seien mehr ausgebildete Fachlehrer, eine ausbildungsbegleitende Sprachförderung von Flüchtlingen und die aktive Ansprache der Eltern.
Quelle: Tagesspiegel vom 29.01.2017.