Ohne Moos nichts los! Ausbildungsvergütung kommunizieren
Warum sollten Ausbildungsunternehmen die Ausbildungsvergütung offen kommunizieren? Für viele junge Menschen ist es das erste selbstverdiente Geld und die Bewerber möchten wissen, was genau sie in der Ausbildung verdienen. Bisher kommunizieren die meisten Unternehmen die Ausbildungsvergütung aber nicht offen in Stellenanzeigen oder auf ihren Karriereseiten. Warum Sie es anders machen sollten, erklärt Felicia Ullrich.
Wenn sich in Stellenanzeigen überhaupt Informationen zur Ausbildungsvergütung finden, sind es meist Formulierungen wie „tarifliche Vergütung“, „TVAöD“ oder „gute Ausbildungsvergütung“. Aber welcher 17-Jährige Mensch weiß, was diese Bezeichnungen konkret bedeuten? Die wenigsten Jugendlichen kennen diese Begriffe, weil sie in ihrem bisherigen Leben damit überhaupt keine Berührungspunkte hatten, da solche Informationen in Schulen nicht vermittelt werden. Aber selbst wenn sie den Begriff „tariflich“ kennen, so heißt das noch lange nicht, dass sie wissen, nach welchem Tarif das jeweilige Unternehmen zahlt. Und Formulierungen wie „gute Ausbildungsvergütung“ sind wenig konkret und sicherlich immer eine Sichtweise des Betrachters.
So denken Bewerber:innen
Eine Auszubildende beschreibt es in der Azubi-Recruiting Trends Studie 2018 wie folgt:
„Ich hätte gerne gewusst, wie hoch die Ausbildungsvergütung ist, da es in der Stellenausschreibung nicht angegeben war. Man konnte auch keine direkten Nachforschungen im Internet anstellen, da jeder Betrieb unterschiedlich hohe Vergütungen hat. Nicht jede Firma ist Mitglied zum Beispiel in der IG Metall. Ich wollte aber auch nicht nachfragen, weil mir die Frage sehr unhöflich erschien.“
Die Ergebnisse der „Azubi-Recruiting Trends“ der letzten Jahre zeigen, dass es mit der Ausbildungsvergütung ein bisschen so ist wie mit der Mathematik: Sie ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung. Heißt: Sie ist Jugendlichen wichtig, aber nicht das wichtigste Entscheidungskriterium für oder gegen einen Ausbildungsplatz.
Auf die Frage in der Studie, wie wichtig die Ausbildungsvergütung den Jugendlichen ist, antworteten nur 21,2 % der Befragten, dass die Vergütungshöhe „sehr wichtig“ für sie sei, 47,6 % ist sie „eher wichtig“ und weitere 23,4 % haben mit „teils, teils“ geantwortet. Ab 150 Euro mehr könnten jedoch 42,3 % der Befragten „schwach werden“ und sich für ein alternatives Ausbildungsangebot entscheiden. Bei 200 Euro sind es 65,1 %.
Das unterstreicht die Ergebnisse aus den vergangenen Jahren, bei denen Faktoren wie die „Nähe des Ausbildungsplatzes zum Wohnort“, „Übernahme-Garantie“ und ein „Ausbildungsberuf, der zu den eigenen Interessen und Fähigkeiten passt“ immer wichtiger eingestuft wurden als die Ausbildungsvergütung. Ein Auszubildender schrieb dazu Folgendes: „Wichtig ist für mich zu hinterfragen, ob ich in dem Betrieb eine gute Ausbildung genieße und ich nach Tarif bezahlt werde. Und ob meine Leistung, wenn sie dann gut ist, auch wertgeschätzt wird und dort ein vernünftiges Arbeitsklima herrscht.“
Bedenken von Ausbilder:innen
Eine Frage, die mir bei Vorträgen immer wieder gestellt wird, ist: „Aber schießen wir uns nicht selber aus dem Rennen, wenn wir die Ausbildungsvergütung offen kommunizieren und der Bewerber sieht, dass er woanders mehr bekommen würde?“ – Ich glaube nicht. Sicher mag es Jugendliche geben, die sich nicht bei Ihnen bewerben, wenn Sie die Ausbildungsvergütung offen kommunizieren und diese zu gering erscheint. Eben diejenigen, die zu den gut 20 % gehören, die die Ausbildungsvergütung sehr hoch gewichten.
Kommunizieren Sie die Ausbildungsvergütung nicht, würde der Jugendliche wahrscheinlich erst einmal zum Vorstellungsgespräch kommen, um dann festzustellen, dass seine Vorstellungen mit Ihrer Realität nicht übereinstimmen. Die Chance, ihn trotzdem von Ihnen zu überzeugen, ist eher gering. Dafür ist der Aufwand für ein Vorstellungsgespräch, wo doch eigentlich von Anfang an klar war, dass die Rahmenbedingungen nicht zusammenpassen, hoch.
Mit offener Kommunikation Stellen besetzen
Noch ein weiterer Faktor spricht dafür, die Ausbildungsvergütung offen in Stellenanzeigen oder auf der Karriereseite zu kommunizieren:
In der Studie 2019 wurden die Jugendlichen gefragt, was für sie gegen eine Ausbildung im gewerblich-technischen Bereich spricht. Eine der am häufigsten genannten Begründungen war die „schlechte Bezahlung“. Schaut man jedoch in Statistiken des Bundesinstitutes für Berufsbildung, so zeigt sich ein anderes Bild: ein Mechatroniker verdient z. B. im Durchschnitt 1.003 Euro, während ein Kaufmann für Büromanagement nur durchschnittlich 840 Euro verdient. Offensichtlich handelt es sich hier um eine Fehleinschätzung der Jugendlichen. Aber wie sollen sie es richtig einschätzen, wenn Unternehmen die Ausbildungsvergütung nicht offen kommunizieren?
Mein Vorschlag für Lösungsansätze
Unternehmen müssten in Deutschland gesetzlich dazu verdonnert werden, ab einer gewissen Unternehmensgröße Gehälter offenzulegen. Wir reden offensichtlich nicht gerne über Gehälter und Vergütungen. Aber von den Jugendlichen erwarten wir, dass sie das Thema im Bewerbungsgespräch offen ansprechen. Doch wenn es dann zufällig die erste Frage des Bewerbers ist, schrillt bei vielen im Kopf direkt das Alarmsignal: „Dem geht es doch nur ums Geld!“.
In der 2018er Studie brachte es eine Bewerberin wie folgt auf den Punkt:
„Es ist zwar nicht das Wichtigste, aber die Ausbildungsvergütung ist schon wichtig. Mir wurde gesagt, dass es unpassend wäre, während des Bewerbungsgesprächs nach dem Gehalt zu fragen. Meist kriegt man es gesagt, wenn man den Ausbildungsvertrag unterschreibt. Es sollte aber schon früher kommuniziert werden, da einige Bewerber allein wohnen und viele Nebenkosten zu tragen haben. Ich wollte zuvor an einem Flughafen arbeiten, hätte dafür aber umziehen müssen. Durch die Nennung der Vergütung hätte ich einschätzen können, ob dies auch möglich gewesen wäre.“
Falls Ihre Ausbildungsvergütung deutlich unter dem Durchschnitt anderer Ausbildungsvergütungen liegt, sollten Sie ernsthaft darüber nachdenken, diese anzuheben. Laut der aktuellen Studie haben 75 % der Jugendlichen mehr als ein Ausbildungsangebot und damit die Wahl, für welches Unternehmen sie sich entscheiden. Der Kampf um die guten Azubis nimmt zu. Um Bewerber zu gewinnen, ist nicht nur eine offene Kommunikation wichtig, sondern natürlich auch die Inhalte, die Sie kommunizieren.
Und dazu zählt eine angemessene Ausbildungsvergütung.
Autorin: Felicia Ullrich ist zertifizierte Trainerin und Geschäftsführerin von u-form Testsysteme. Sie beschäftigt sich mit den Themen Azubi-Marketing und Azubi-Recruiting und verlegt zusammen mit Prof. Christoph Beck die größte doppelperspektivische Studie „Azubi-Recruiting Trends“. Quelle: wirAUSBILDER 4/2019
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