Praktikum: Pflicht oder Option?
Auf dem Praktikumsmarkt in Nordrhein-Westfalen wird es immer enger: In allen Schulformen müssen Schüler ein Praktikum absolvieren, das Interesse an praktischen Erfahrungen auch in den Ferien ist hoch. Gleichzeitig bieten immer weniger Unternehmen Praktikumsplätze an, ein Platz im Wunschberuf wird nicht für jeden Schüler möglich sein. Zudem ist unklar, ob ein Praktikum für einen erfolgreichen Abschluss Pflicht oder nur eine Option ist.
Unklare Rechtslage
Insbesondere die schwächeren Schüler haben ein Problem, da sie im Vergleich zu den leistungsstärkeren Kandidaten immer schlechter einen Praktikumsplatz finden. An einigen Schulen kann das sogar den Ausschluss vom Unterricht bedeuten, wenn kein Praktikum nachgewiesen wird – unabhängig davon, dass die Noten für einen höheren Schulabschluss sogar reichen würden. Die Rechtslage ist unklar: Das NRW-Schulministerium, die Bezirksregierung Detmold als Schulaufsicht und die Schulen selbst legen die Vorgaben unterschiedlich aus. Unklar ist auch, ob das Praktikum im passenden Berufsfeld durchgeführt werden muss, um für den Schulabschluss zu gelten.
Ohne Praktikum kein Schulabschluss?
Das Beispiel des Lüttfeld-Berufskollegs Lemgo verdeutlicht das Problem: Die Schüler der Berufsfachschule II für Elektrotechnik erhielten von der Schulleitung ein Schreiben, das besagt, dass ein erfolgreicher Schulabschluss nur durch die Teilnahme an zwei Praktika möglich ist. Im anderen Fall ist ein Ausschluss vom Bildungsgang wahrscheinlich. Für die Schulleitung und das NRW-Schulministerium ist die Rechtslage so: Ein Praktikum im Bildungsgang ist nicht optional. Unklar ist aber, ob z. B. ein Praktikum in einer Bäckerei hier auch zählen würde.
Klage bei Ausschluss?
Das sieht die Bezirksregierung in Detmold anders – Praktika für den Bildungsgang werden lediglich empfohlen. Für einen Ausschluss bei Fehlen eines Praktikumsnachweises gebe es keine Rechtsgrundlage. Schüler, die deswegen einen Bildungsgang verlassen müssten oder denen der Schulabschluss trotz ausreichender Leistungen verweigert wird, können die Schule auf Schadensersatz verklagen.
Alles nehmen, was kommt
Die Schüler sind von dieser Ausgangslage entsprechend verunsichert und nehmen alles an, was möglich ist. Abbrüche und Unzufriedenheit steigen in der Folge, auch auf der Seite der Unternehmen. Die Schulleitung in Lemgo verweist darauf, dass mit jedem Praktikum die Chancen auf einen Ausbildungsplatz steigen. Wenn die Schüler keinen finden, hilft die Schule und bringt diese zur Not in den eigenen Werkstätten unter. Einen Ausschluss habe es bislang noch nicht gegeben.