Corona-Ausbildungsprämien werden verlängert und ausgeweitet
Gast-Blog von Prof. Dr. Ralf Jahn
Das Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“, das als Anreiz zur Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen umfangreiche Ausbildungsprämien beinhaltet, wird inhaltlich erweitert und bis 30.6.2021 verlängert. Die neuen Förderrichtlinien des BMAS/BMBF treten am 10.12.2020 in Kraft.
Hintergrund
In der Corona-Krise soll der Abschluss neuer Ausbildungsverträge mit dem Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ finanziell gefördert werden. Am 24.6.2020 wurden vom Bundeskabinett Eckpunkte beschlossen. Am 31.7.2020 ist die Förderrichtlinie zur Umsetzung des Bundesprogramms vom zuständigen Ministerium veröffentlicht worden (Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ – Bundesagentur für Arbeit (arbeitsagentur.de). Ich hatte dazu bereits berichtet (Update Corona-Ausbildungsprämienprogramm: Bundesagentur gibt Vollgas! – NWB Experten BlogNWB Experten Blog (nwb-experten-blog.de). Das Programm umfasst Ausbildungsprämien bei Erhalt des Ausbildungsniveaus, Ausbildungsprämie bei Erhöhung des Ausbildungsniveaus, Übernahmeprämie sowie eine Förderung bei Vermeidung von Kurzarbeit während der Ausbildung.
Was ändert sich jetzt?
Die vier bekannten Förderlinien werden jetzt folgendermaßen erweitert:
- Ausbildungsbetriebe werden künftig mit Ausbildungsprämien gefördert, wenn sie im Zeitraum von April bis Dezember 2020 in zwei zusammenhängenden Monaten einen Umsatzeinbruch von durchschnittlich mindestens 50 Prozent oder in fünf zusammenhängenden Monaten von durchschnittlich mindestens 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr verkraften müssen (bisher: durchschnittlich mindestens 60 Prozent in April und Mai 2020 gegenüber dem Vorjahr).
- Die Durchführung von Kurzarbeit wird in Zukunft auch im zweiten Halbjahr 2020 berücksichtigt (bisher: nur erstes Halbjahr 2020).
- Ausbildungen, die vom 24.6.2020 (das ist das Datum des Kabinettbeschlusses zu den Eckpunkten des Bundesprogramms) bis zum 31. Juli 2020 begonnen haben, werden in die Ausbildungsprämien miteinbezogen.
- Die Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung zur Vermeidung von Kurzarbeit in der Ausbildung werden bis einschließlich Juni 2021 verlängert (bisher: Laufzeit bis einschließlich Dezember 2020).
- Die Übernahme von Auszubildenden, deren Ausbildungsstelle wegen pandemiebedingter Insolvenz des ursprünglichen Betriebes verloren gegangen ist, wird künftig unabhängig von den Betriebsgrößen mit einer Übernahmeprämie gefördert (bisher: nur, wenn beide Betriebe maximal 249 Mitarbeiter hatten).
- Solche Übernahmen werden bis zum 30.6.2021 gefördert (bisher: bis zum 31.12.2020).
Die neuen Förderrichtlinien sollen nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 11.12.2020 in Kraft treten.
Bewertung und Auswirkung auf die Praxis
Mit der Änderung der Förderrichtlinien wird der Kreis der Antragsberechtigten deutlich erweitert. Das wird mutmaßlich zu einem deutlichen Anstieg der Inanspruchnahme des Förderprogramms führen. Wichtig für Ausbildungsbetriebe: Die Änderungen der Förderrichtlinien gelten auch rückwirkend. Das bedeutet: Anträge auf Förderungen können innerhalb von drei Monaten auch für bereits bestehende Ausbildungsverhältnisse gestellt werden, für die bisher eine Förderung nicht möglich war, die aber von den geänderten Voraussetzungen erfasst sind. Das gilt auch, wenn ein vorheriger Antrag aus diesen Gründen bereits abgelehnt worden ist.
Aus Sicht von Ausbildungsbetrieben, die wegen coronabedingten Liquiditätsengpässen mit der (zusätzlichen) Einstellung von Auszubildenden bislang gezögert haben, sind die neuen Förderrichtlinien eine gute Nachricht. Ob das Bundesprogramm aber tatsächlich hilft, die Probleme am deutschen Ausbildungsmarkt nachhaltig zu lösen, muss bezweifelt werden: Das duale Ausbildungssystem in Deutschland mit paralleler schulischer und betrieblicher Ausbildung in gewerblichen und kaufmännischen sowie handwerklichen Ausbildungsberufen ist eine Errungenschaft, um die Deutschland weltweit beneidet wird. Allein im Jahr 2019 stellten Industrie, Handel und Handwerk rund 578.000 Ausbildungsstellen bundesweit zur Verfügung. Gleichzeitig aber sank auch die Zahl der Bewerber gegenüber dem Vorjahr auf knapp 550.000. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ging in 2019 auf 225.100 zurück. Per Saldo besteht also ein Überangebot an Ausbildungsplätzen. Die Gründe liegen auf der Hand: Demographische Veränderungen führen zu einem Rückgang der Schulabgängerzahlen, der Zuwachs an Auszubildenden auf dem Migrantenmarkt stagniert. Dieses Problem wird auch nicht durch staatliche Finanzierungsanreize behoben.
Quellen
Förderrichtlinien vom 8.12.2020 (PDF)
Autor: Prof. Dr. Ralf Jahn
- Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg
- Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt
- Honorarprofessor an der Universität Würzburg
Weitere Beiträge von Prof. Dr. Jahn finden Sie im NWB Experten-Blog.