Ist der Azubi-Mangel ein Statistik-Fehler?
Auf dem Bremer Ausbildungsmarkt gab es im Herbst 2015 rein rechnerisch mehr als eine Ausbildungsstelle – auf 4011 Lehrstellen kamen 3415 Bewerber. “Unversorgt”, so der Ausdruck im Amtsdeutsch, blieben nur 174 Bewerber. Die Schüler einer Bremer Gesamtschule sehen das anders.
In ihrer zehnten Klasse hatten nur drei Schüler zum Ende einen Ausbildungsplatz – 12 von 24 Schülern hatten sich beworben. Sie wundern sich, dass diese Zahlen in der Statistik der Arbeitsagentur nicht präsent sind.
Im Praktikum geparkt oder nicht ausbildungsreif = nicht suchend?
Das liegt daran, dass Jugendliche, die keine Ausbildungstelle finden und alternativ ein Freiwilliges Soziales Jahr oder ein Praktikum absolvieren, in der Statistik nicht geführt werden. Um als Bewerber dort zu erscheinen, muss der Berater diesen für “ausbildungsreif” erklären. Falls nicht, erhält er Fördermaßnahmen und erscheint wieder nicht in der Statistik.
Die Ausbildungsmarkt-Realität sieht anders aus
Richtig wären folgende Darstellungen: Nur etwa 37 Prozent der Jugendlichen in Bremen, die bei der Agentur als arbeitsplatzsuchend gemeldet waren, haben eine Lehrstelle gefunden. Ergänzt man diejenigen, die ohne Hilfe der Agentur einen Ausbildungsplatz gefunden haben, kommt man in Bremen auf 66,5 und bundesweit auf 64,7 Prozent. Zum Stichtag 30. September 2016 ab es bundesweit ca. 20.000 unversorgte Bewerber, gleichzeitig gab es 60.000 Suchende, die in einer Alternative untergebracht waren.
Arbeitsagentur arbeitet weiter mit “geschönten” Zahlen
Das bedeutet, dass die Probleme am Ausbildungsmarkt größer sind als gedacht und durch die Zahlenspiele kleiner gemacht werden. Die Bremer Bürgschaft forderte bereits im Mai 2016 von der Landesregierung eine transparente Darstellung der Zahlen auf dem Ausbildungsmarkt, im November erschienen aber wieder die alten Zahlen.
Quelle: Spiegel Online vom 22.5.2017